Vorführungen:
- Do, 7. September 2023 – Mi, 13. September 2023 um 19:00 Uhr
- Do, 14. September 2023 – Sa, 16. September 2023 um 21:00 Uhr
- Mo, 18. September 2023 – Mi, 20. September 2023 um 21:00 Uhr
Darsteller*innen: Franz Rogowski, Ben Whishaw, Adèle Exarchopoulos…
Der letzte Drehtag. In Paris beendet der deutsche Regisseur Tomas (Franz Rogowski) die Arbeit an seinem neuen Film, anschließend wird gefeiert, getrunken, getanzt. Tomas‘ Mann Martin (Ben Whishaw) schaut dem Treiben zu, verschwindet irgendwann, denn Tomas nähert sich auf der Tanzfläche der Schauspielerin Agathe (Adèle Exarchopoulos) an. Die Anziehung ist spürbar, der Alkohol tut sein übriges, Tomas landet mit Agathe im Bett.
Am nächsten Morgen, in der gemeinsamen Wohnung, sagt Martin: „Das passiert immer, wenn Du einen Film beendest, Du vergisst es nur.“ Vielleicht ist es Tomas aber auch nur egal, wenn er seinen Mann verletzt, so wie ihm die Gefühle anderer Menschen grundsätzlich nicht furchtbar wichtig zu sein scheinen. Dieses Mal bleibt es jedoch nicht bei einem One Night Stand, dieses Mal will Tomas mehr – und zieht kurzentschlossen bei Agathe ein.
Auch das scheint Martin zu kennen, geht seiner Arbeit als Drucker weiter mit stoischer Gelassenheit nach und beginnt seinerseits eine Affäre mit dem Schriftsteller Amad (Erwan Kepoa Falé).
Vielleicht weil er nun selbst Eifersucht empfindet will Tomas nun Martin zurück, aber gleichzeitig Agathe nicht aufgeben. Eine Dreiecksbeziehung schlägt er vor, natürlich mit sich im Zentrum, doch dieses Experiment ist zum Scheitern verurteilt, erst recht, als Agathe erfährt, dass sie schwanger ist.
Ein zum Jähzorn neigender, flamboyanter deutscher Regisseur, der vor allem auf Männer, aber auch ein wenig auf Frauen steht, da muss man unweigerlich an Rainer Werner Fassbinder denken. Viel ist über das toxische Verhalten des viel zu jung gestorbenen Fassbinder schon zu Lebzeiten geschrieben worden, erst recht aber in den Jahren danach, gerade da sich die Maßstäbe langsam verändert haben, nicht mehr jedes Verhalten eines tatsächlichen oder selbsternannten Genies bedingungslos toleriert werden.
Typische amerikanische Indie-Filme hat Ira Sachs lange Jahre gedreht, „Keep the Lights on“ oder „Liebe geht seltsame Wege“, die dezidiert schwule Figuren in den Mittelpunkt stellten. Mit seinem letzten Film „Frankie“ ging Sachs neue Wege, drehte mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle und zum ersten Mal im Ausland, eine Entwicklung die sich nun fortsetzt.
Das Flair von Paris belebt jeden Moment von „Passages“, nicht zuletzt aber auch die Erinnerung an die zahllosen französischen Liebesfilme und Beziehungsdramen, die sich auf denselben Straßen, Cafés und Wohnungen abspielten. Und auch wenn der Kern von „Passages“ dramatisch erscheint, wirkt dieser achte Film von Ira Sachs leichter, lebendiger, vor allem filmisch freier.
Auch in der Darstellung der Sexualität, die sich in einigen expliziten Sexszenen zeigt, aber vor allem in der Beiläufigkeit, mit der Hetero-, Homo- und Bi-Sexuelle Figuren interagieren. „Passages“ reiht sich hier in eine Linie mit Filmen wie Christophe Honorés „Der Gymnasiast“, die jede Form der Sexualität gleichberechtigt nebeneinanderstellen. Wenn Tomas im Laufe des Films immer manischer mit seinem Hipster-Rennrad durch Paris fährt und nicht nur eine sondern zwei Beziehungen zerstört, dann liegt das nicht daran, ob er Mann oder Frau liebt, sondern einzig und allein an seinem toxischen Verhalten.
Michael Meyns (Programmkino.de)